Veritas - Die Wahrheit
Auf dem Hockenheimring fand am 8. und 9. Mai 1948 der erste Meisterschaftslauf für Sport- und Rennwagen nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Trotz des von den Besatzungsbehörden verhängten Sonntagsfahrverbot waren 300.000 Menschen gekommen, um die Rennen zu sehen. Bei den Sportwagen der Zweiliterklasse gingen zum erstenmal drei Wagen der Marke Veritas an den Start: Karl Kling, Toni Ulmen und Ralph Roese belegten die vorderen Plätze. Karl Kling siegte mit einem Schnitt von 161,5 km/h. Ulmen und Roese lagen wegen Kühler- und Reifenproblemen eine Runde zurück. In der Rennwagenklasse fuhr Schorsch Meier auf einem 140 PS-Veritas-BMW, der "Großmutter", den Sieg heraus. Von da an war der Name Veritas in aller Munde und für ein paar Jahre das Fahrzeug, das es auf den Pisten zu schlagen galt. Die Nennung von Meiers Fahrzeug unter dem Namen "Veritas-BMW" führte zu den Münchner Ursprüngen der Marke. Der Mann, der für den erfolgreichen Auftritt die technischen Grundlagen gelegt hatte, hieß Ernst Loof. Von einer Stellung als Autoschlosser in Halberstadt führte ihn seine berufliche Laufbahn als Ingenieur zu den Imperia-Motorradwerken in Godesberg. Nach einem Zwischenspiel in der Rennabteilung von Auto-Union ging sein Weg nach München zu BMW. Dort wurde er leitender Mitarbeiter in der Rennfahrzeug-Konstruktion.Mit dem 1936 erschienenen 328 hatte man bei den Bayern eine hervoragende Basis für Wettbewerbsfahrzeuge entwickelt. In seiner Renn-Klasse war der Zweisitzer das dominierende Fahrzeug. Die Erfolge beflügelten den Fleiß und die Kreativität der Ingenieure, welche das Fahrzeug über Jahre konkurrenzfähig hielten. Loof als Rennleiter war der Mann, der den Motoren dieser Fahrzeuge Leistung beigebracht hatte. Nach 1945 war die Idee, Rennwagen zu bauen, im zerstörten Deutschland jenseits von allem, was man denken konnte. Die Menschen waren mit Überleben beschäftigt. Wahrscheinlich bedurfte es zu dieser Vision einer Persönlichkeit wie die Ernst Loofs, dem der "Spiegel" Ende der Vierziger Jahre bescheinigte "die unkomplizierte Narrenschläue eines nie Erwachsenen" zu haben. Jedenfalls trafen sich im Frühjahr 1947 Loof, der ehemalige Motorrad-Rennfahrer Schorsch Meier sowie Lorenz Dietrich, der im besetzten Frankreich für BMW die Flugmotorenherstellung bei Gnome-Rhone organisiert hatte. Die drei kannten sich aus dem München der Dreißiger Jahre und waren während des Krieges in Paris zusammen getroffen. Dort hatte man darüber gesprochen, nach dem Krieg in eigener Regie Sportwagen zu bauen. Nun war mangels besserer Perspektiven der Zeitpunkt gekommen, den Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Bis zum Winter 1946/47 hatte sich Loof mehr schlecht als Recht mit dem Umbau von BMW-Sportwagen zu Rennfahrzeugen mit Ponton-Karosserie beschäftigt. Er hatte sich in Erwartung eines Neuanfangs am Ende des Kriegs einige Konterbande aus der BMW-Rennabteilung gesichert, ebenfalls hatte er detaillierte Kenntnisse über das Konzept des geplanten 328-Nachfolgers. Auf dieser Grundlage konnten die Partner ihre Pläne auf einer technisch soliden Basis realisieren. Lorenz Dietrich mit seinen Beziehungen zu den französischen Besatzungsbehörden besorgte die Lizenz zum Rennwagenbau. Soll man der Legende glauben, war Lorenz, als die Franzosen ihn nach dem Namen des geplanten Fahrzeugs fragten, spontan nichts anderes als der Name Veritas eingefallen. Also etablierte sich das Unternehmen als "Veritas-Arbeitsgemeinschaft" im Herbst 1947 in Hausern bei Sigmaringen als "Firma für technische Versuche". Loof hatte die technische Federführung, Dietrich Lorenz oblag die wirtschaftliche Leitung und Schorsch Meier war Kontaktmann in München. Für diese Pläne war es jedoch zu spät. Industriepolitische Wiederstände in Baden-Württemberg verhinderten die Auszahlung eines bereit zugesagten 1,5-Millionen-DM-Kredits. Im November 1950 musste Veritas Konkurs anmelden. Die Reste der Firma wurden zwischen Loof und Dietrich aufgeteilt, die jeweils auf ihre Art und Weise eine Wiederbelebung versuchten. |